Ziel des Forschungsvorhabens ist die empirische Überprüfung eines theoretischen Modells, das zu erklären versucht, warum und unter welchen Bedingungen Individuen bereit sind, Straftaten zu begehen. Nach der ökonomischen Theorie abweichenden Verhaltens ist Kriminalität als gesellschaftliches Phänomen das aggregierte Ergebnis absichtsvoller Entscheidungen und Handlungen von Individuen. Sie begehen dann Straftaten, wenn diese aus ihrer Sicht eher Vorteile (wie Wohlstand oder soziale Anerkennung) erbringen als legale Handlungen. In diesem Fall versuchen sie zielgerichtet über Straftaten, Gewinne zu erzielen, und achten dabei darauf, dass für sie selbst keine nachteiligen Konsequenzen (wie etwa Strafen, soziale Ächtung oder Selbstbeschädigung) entstehen. Dieses ökonomische Grundmodell vernachlässigt jedoch den Einfluss von individuellen Merkmalen wie etwa Fähigkeiten, Sozialisationseffekte, internalisierte Normen sowie subjektive Wahrnehmung und Evaluation von Gelegenheiten für Straftaten und ihre Erfolgswahrscheinlichkeiten, welche wiederum die Kosten-Nutzen-Abwägungen und damit den Entscheidungsprozess für oder gegen die Ausführung einer Straftat steuern. Diese Einflüsse variieren zwischen den Bildungsgruppen und sozialen Schichten. Aus theoretischer Sicht kann damit verdeutlicht werden, dass die häufig im Alltag vertretene Hypothese, weniger gebildete Personen oder untere und ärmere Sozialschichten seien krimineller als die ökonomisch privilegierten Sozialschichten, auf einem ökologischen Fehlschluss beruht. Berücksichtigt man die soziale Situation der Individuen, dann korrelieren Sozialmerkmale eher mit der Auswahl von „typischen“ Straftaten und ihrer erfolgreichen Durchführung als mit der Häufigkeit von Straftaten.
Mittels einer postalischen Befragung von Berner Bürgerinnen und Bürger wurden Daten über deren delinquentes Handeln (Ladendiebstahl, Steuerhinterziehung, Schwarzfahren, Unfallflucht und Versicherungsbetrug) erhoben. Anhand dieser Daten wurde das modifizierte ökonomische Modell der Kriminalität auf seine Tragfähigkeit überprüft und seine Erklärungskraft mit der von alternativen Erklärungsansätzen verglichen. Das Projekt wurde durch den Schweizerischen Nationalfond (SNF) für eine Laufzeit von 24 Monaten mit einem Forschungsbeitrag von rund 270.000 SFr. gefördert. Leiter des Projektes war Prof. Dr. Rolf Becker. Mitarbeitende waren: Regula Imhof, Marcel Raimann, Gina Ludi und Samira Zingaro sowie Larissa Trösch und Katja Ruffieux.