Well-being in School in Switzerland (WESIR)

Nicht nur die objektiven Schulleistungen, sondern auch das Wohlbefinden der Schüler:innen und Lehrpersonen sind wichtig für ein funktionierendes Schulsystem. Schulisches Wohlbefinden ist in vielen Ländern zu einem wichtigen Bestandteil der Bildungspolitik geworden.

Dies aus guten Gründen:

  • Altersbedingte Veränderungen während der Adoleszenz und die Anforderungen der heutigen Gesellschaft können zu steigendem Stress und einem geringen Wohlbefinden der Schüler:innen führen.
  • Die Förderung des Wohlbefindens trägt nicht nur zum Engagement der Schüler:innen in der Schule bei, sondern verbessert auch die Lernprozesse im Klassenzimmer und kann die schulische Leistung unterstützen
  • Schulen, die eine Kultur des Wohlbefindens einführen, können das gesamte Schulleben positiv beeinflussen; einschliesslich der sozialen Beziehungen, der Lehr- und Lernansätze und des allgemeinen Schulklimas.

Da die Forschung diesbezüglich immer noch bescheiden ist, sollte mehr evidenzbasiertes Wissen über die Entwicklung des Wohlbefindens von Schüler:innen und Lehrpersonen und über Möglichkeiten zu dessen Förderung gesammelt werden. Das WESIR Projekt will hierzu einen Beitrag leisten.

Unser Projekt verfolgt drei Ziele:

  1. Die Auswirkungen des schulischen Umfelds auf das Wohlbefinden von Schüler:innen und Lehrpersonen der Sekundarstufe I zu untersuchen und die Faktoren auf verschiedenen ökologischen Ebenen zu identifizieren, die die Entwicklung des Wohlbefindens von Schüler:innen beeinflussen könnten
  2. Die Auswirkungen schulbasierter Interventionsprogramme zur Steigerung des Wohlbefindens auf das kurz- und langfristige Wohlbefinden der Schüler:innen zu analysieren
  3. Wissenschaftlich sowie praktisch relevantes Wissen über das Wohlbefinden der Schüler:innen und Lehrpersonen zu generieren und sowohl der Forschung als auch den Schulen und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Aufgrund des Mixed-Methods-Designs, das quantitative, qualitative und Interventionsdaten umfasst, werden wir eine Vielzahl von Forschungsfragen untersuchen. Unter anderem gehen wir folgenden Fragen nach:

  1. Wie entwickelt sich das Wohlbefinden der Schüler:innen zwischen den Klassenstufen 9-11 (HarmoS) in der Schweiz?

  2. Welches sind die wichtigsten Faktoren, die das Wohlbefinden der Schüler:innen und Lehrpersonen in der Schweiz beeinflussen?

  3. Wie wirkt sich das Interventionsprogramm zur Förderung des schulischen Wohlbefindens auf das subjektive Wohlbefinden der Schüler:innen und auf andere Ergebnisse aus?

  • Pilotstudie
  • Zwischen November 2021 und Januar 2022 fand die Pilotstudie statt, in der die Fragebögen für Schüler:innen und Lehrpersonen sowie die Leitfäden für Interviews und Gruppendiskussionen an einer kleinen Stichprobe getestet wurden. Daran nahmen ungefähr 100 Schüler:innen aus 5 Klassen in der 7. Klasse (9. Schuljahr HarmoS) in der Schweiz und deren Lehrpersonen (N≈20) teil.

  • Quantitative Studie
  • Im Zeitraum zwischen 2022 und 2024 werden zirka 800 Schweizer Schüler:innen der Sekundarstufe I (9. bis 11. Schuljahr HarmoS) einmal pro Schuljahr befragt (insgesamt dreimal). Zusätzlich füllen auch etwa 100 Lehrpersonen jährlich einen Fragebogen aus.

  • Qualitative Studie
  • Von den Befragten wurden 30 Schüler:innen und 30 Lehrpersonen ausgewählt, welche nach der Umfrage einmal pro Schuljahr an Interviews teilnehmen. Die Schüler:innen werden dabei in ca. 30-minütigen Einzelinterviews befragt, die Lehrpersonen nehmen an Gruppendiskussionen teil.

  • Intervention
  • In der 8. Klasse (10. Schuljahr HarmoS) werden den SchülerInnen und ihren Lehrpersonen verschiedene Strategien zur Steigerung des Wohlbefindens vorgestellt, die sich leicht in den Schulalltag integrieren lassen. Mit Unterstützung der Forschenden integrieren die Lehrpersonen die zuvor vorgestellten Wohlbefindensstrategien in ihren Unterricht. Dabei werden die Befragten in vier Gruppen aufgeteilt, welche unterschiedliche Strategien anwenden. Dieses Wohlbefindenstraininig wird während 10 Wochen durchgeführt.

Wohlbefinden in der Schule

Während der ersten Erhebungswelle wurden in 44 Klassen an 17 Schulen (N = 757 Schüler:innen, N = 95 Lehrpersonen) in den Kantonen Bern, Aargau und Solothurn Daten erhoben. An der zweiten Erhebungswelle nahmen 42 Klassen an 15 Schulen (N = 738 Schüler:innen, N = 84 Lehrpersonen) teil. Die dritte Erhebungswelle umfasste 36 Klassen an 14 Schulen (N = 585 Schüler:innen, N = 55 Lehrpersonen). Unten sehen Sie die Ergebnisse zum Wohlbefinden der Schüler:innen und Lehrpersonen der Erhebungswellen 1 bis 3. Signifikante Veränderungen sind mit einem * gekennzeichnet.

Wohlbefindensprofile

Die Profilanalyse bietet eine Möglichkeit, Muster in komplexen, statistischen Daten zu erkennen. Sie wird verwendet, um Gruppen von Personen zu identifizieren, die sich in ihrem Verhalten oder ihren Eigenschaften ähneln und hilft dadurch, bestimmte Phänomene besser zu verstehen.

Anhand der Wohlbefindensmittelwerte aller Schüler:innen aus der WESIR Gesamtstichprobe (N = 756) wurden statistische Wohlbefindensprofile gebildet. Dies bedeutet, dass Schüler:innen mit ähnlichen Ausprägungen, auf unterschiedlichen Wohlbefindensdimensionen, verschiedenen Profilen zugeordnet wurden.  

Die Abbildung unten zeigt die Mittelwerte der einzelnen Dimensionen des schulischen Wohlbefindens aus Sicht der Schüler:innen, in vier identifizierten Wohlbefindensprofilen: «desinteressiert», «sozial gestresst», «engagiert» und «sorgenvoll».

Dem «desinteressierten» Profil wurden insgesamt N = 164 (22%) Schüler:innen zugeordnet. Diese zeichnen sich, im Vergleich zu den Schüler:innen in den anderen Profilen, durch eine geringe positive Einstellung zur Schule sowie Freude in der Schule aus. Zusätzlich haben sie relativ hohe Sorgen wegen der Schule, die jedoch nicht mit physischen Problemen einherzugehen scheinen. Schüler:innen in diesem Profil sind also weniger interessiert und machen sich dennoch Sorgen wegen der Schule, die sich jedoch nicht in physischen Stresssymptomen äussern. Grund dafür könnte das erwähnte mangelnde Interesse an der Schule sein.

Im «sozial gestressten» Profil befanden sich insgesamt N = 81 (11%) der Schüler:innen. Kennzeichnend sind die hohen sozialen Probleme in der Schule, die sich in den beiden weiteren negativen Wohlbefindendimensionen, Sorgen wegen der Schule und physischen Problemen in der Schule, niederschlagen. Trotz der relativ hohen Mittelwerte auf allen negativen Dimensionen weisen diese Schüler:innen mittlere Werte auf den positiven Wohlbefindendimensionen auf. Dies verdeutlicht, dass es sich beim schulischen Wohlbefinden um ein mehrdimensionales Konstrukt handelt, das zugleich positive Emotionen und Kognitionen sowie negative Emotionen und Kognitionen zulässt.

Als «engagiert» liessen sich N = 389 (51%) Schüler:innen beschreiben. Sie haben eine positive Einstellung zur Schule, verspüren Freude in der Schule und haben einen hohen schulischen Selbstwert. Zugleich haben sie, verglichen mit den anderen Profilen, die tiefsten Mittelwerte auf den negativen Wohlbefindensdimensionen. Etwas mehr als die Hälfte aller Schüler:innen zeigen sich als engagiert in der Schule; man kann davon sprechen, dass sie sich in der Schule wohl fühlen.

N = 122 (16%) der Schüler:innen wurden in das «sorgenvolle» Profil eingeteilt. Schüler:innen in diesem Profil haben hohe Sorgen in der Schule, welche, im Vergleich zum «desinteressierten» Profil, auch mit physischen Problemen einhergehen. Dennoch weisen diese Schüler:innen relativ hohe Werte auf allen drei positiven Wohlbefindensdimensionen auf. Die hohen Sorgen in der Schule dieser Schüler:innen scheinen somit nicht durch ein mangelndes Interesse an der Schule oder durch soziale Problem in der Schule zustande zu kommen. Andere Faktoren, wie beispielsweise ein als hoch wahrgenommener Leistungsdruck, könnten die Sorgen in der Schule auslösen.

Beziehung Schüler:innen–Lehrpersonen

In der ersten Erhebungswelle wurden Daten zur Beziehung zwischen Schüler:innen und Lehrpersonen erfasst. Dabei wurden sowohl die Schüler:innen als auch die Lehrpersonen gefragt, wie sie ihre Beziehung zueinander wahrnehmen. Unten sind die Ergebnisse des Vergleichs grafisch dargestellt.