Abteilung Bildungssoziologie
Portrait
Bildungssoziologie als sozialwissenschaftliche Disziplin analysiert die ökonomischen, kulturellen, politischen und sozialstrukturellen Rahmenbedingungen von Bildungsprozessen sowie ihre individuellen und gesellschaftlichen Folgen.
Ziel ist es, Bildungsprozesse und ihre Institutionalisierung im gesellschaftlichen Kontext systematisch – im Längsschnitt und auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen – zu beschreiben und einschließlich ihrer Folgeerscheinungen für Individuen, Institutionen und Gesellschaft zu erklären.
Ordinariat ABS: Prof. Dr. Rolf Becker
Forschungsschwerpunkte
Die Abteilung Bildungssoziologie an der Universität Bern legt ihren Schwerpunkt in die theoretische und empirische Untersuchung von Bildungsprozessen und ihrer Folgen auf unterschiedlichen Ebenen der Gesellschaft. Der Struktur und Dynamik von Bildungsprozessen sowie ihrer vielfältigen Folgewirkungen wird zudem durch die Längsschnittanalyse von Lebensverläufen aufeinander folgender Geburtskohorten und der gesellschaftlichen Entwicklung von Bildungssystemen, Arbeitsmärkten und anderen sozialen Kontexten Rechnung getragen. Die Rolle von Bildung als erklärender und abhängiger Variable in anderen Soziologien – wie etwa Sozialstrukturanalyse, Mobilität und soziale Ungleichheit, Kriminalität und abweichendes Verhalten, formale Organisation und Beschäftigung, Demographie und Lebensverlauf – ist ein Beleg dafür, dass Bildung als kausale Variable und als ‚outcome’ (Leistung, Erfolg, Performanz, etc.) berücksichtigt wird, und unterstreicht den interdisziplinären Charakter der Bildungssoziologie.
Ein zentraler Forschungsschwerpunkt ist die soziale Ungleichheit von Bildungschancen. Soziale Ungleichheiten von Bildungschancen zählen zu einer der sozialen Fragen des 21. Jahrhunderts und sind in der Bildungsforschung deswegen interessant, weil der Zugang zu und Erwerb von Bildung eine wichtige Voraussetzung für die Gestaltung des Lebenslaufs und für die gesellschaftliche Entwicklung ist. Hierbei wird untersucht, wie sich die soziale Ungleichheit von Ressourcen und die Lebensverhältnisse, in denen Menschen leben, auf den Bildungszugang und die Chance auswirkt, einen bestimmten Bildungsabschluss zu erwerben. Im Vordergrund stehen hierbei Auswirkungen leistungsfremder Kriterien wie etwa soziale Herkunft, Migrationshintergrund, Geschlecht oder Region auf die Möglichkeit, bestimmte Bildungswege beschreiten und Bildungserfolge erzielen zu können. Von besonderem Interesse ist neben der Beschreibung dieses Phänomens die Erklärung für die Genese und Reproduktion von Bildungsungleichheiten. So werden Bildungsentscheidungen, Bildungsübergänge und Bildungskarrieren vor dem Hintergrund der Sozialstruktur der Gesellschaft und den Strukturen des Bildungssystems analysiert.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt sind Bildungsverläufe im sozialen Wandel. Anhand von Bildungsverläufen kann der Zusammenhang von gesellschaftlichen Verhältnissen und Bildungsverhalten von Individuen oder Gruppen detailliert untersucht werden. In der Struktur und Dynamik von Bildungsverläufen spiegeln sich individuelle Entwicklungen im familialen Kontext, Angebote und institutionelle Regelungen des Bildungssystems, Nachfrage der Arbeitsmärkte nach Qualifikationen und die Vorgaben des modernen Wohlfahrtsstaates mit seiner Bildungs- und Sozialpolitik wieder. Hierbei wird nicht nur untersucht, wie der Bildungsstand der Bevölkerung und ihr Wandels im Zuge der historischen Zeit zustande kommt, sondern auch von welchen Mechanismen und Prozessen auf den unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen die Sozialstruktur der Bildungsverläufe hervorgebracht wird. Anhand von Bildungsverläufen können Strukturen von Bildungsinstitutionen und Prozesse des Wandels von Bildungssystemen historisch und international vergleichend erforscht werden. Diese Perspektive liefert im Unterschied zu einer komparativ-statischen Querschnittsbetrachtung weiterführende Erkenntnisse, welche den Anforderungen einer soziologischen Tiefenerklärung genügen.
Erwartete und unerwartete Folgen der Bildungsexpansion bilden ebenfalls einen Schwerpunkt in der bildungssoziologischen Forschung. Im Vordergrund stehen hierbei zum einen der Zusammenhang von verändertem Bildungsverhalten sozialer Gruppen (wie etwa soziale Klassen oder Schichten) und deren Rückwirkungen auf das Bildungssystem, die diversen Märkte (z.B. Arbeitsmarkt, Heiratsmarkt, Wohnungsmarkt etc.) und die Bildungspolitik. Des Weiteren wird hierbei der Wandel von Bildungsverständnissen und Bildungsvorstellungen in der Bevölkerung als ein „Motor“ und als eine Folge von Bildungsexpansion untersucht. Zum anderen wird der Frage nachgegangen, wie sich die Höherqualifikation in der Bevölkerung und in der Generationenfolge auf andere Lebensbereiche – wie etwa politisches Interesse, politische Partizipation, Familienbildung, Lebenserwartung, Gesundheit etc. –
und gesellschaftliche Entwicklungen – wie etwa Alterung der Bevölkerung, Stabilität von sozialen Beziehungen, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, Ausbau des Wohlfahrtsstaates etc. – auswirken.
Publikationen: Publikationsliste auf BORIS
Projekte: Forschungsprojekte der ABS